Umsatzsteuer in der Physiotherapie – Wann gilt die Steuerfreiheit wirklich?

Viele Physiotherapeuten gehen davon aus, dass ihre Leistungen grundsätzlich umsatzsteuerfrei sind. Schließlich handelt es sich doch um eine heilberufliche Tätigkeit – oder?

Ganz so einfach ist es nicht. Die Umsatzsteuerregelungen im Gesundheitswesen – insbesondere in der Physiotherapie – sind komplex und voller Fallstricke. Gerade wenn die Praxis ein breiteres Angebot hat oder neben der klassischen Therapie auch präventive Leistungen anbietet, kann schnell eine Umsatzsteuerpflicht entstehen.

In diesem Beitrag zeigen wir Ihnen, wann Sie als Physiotherapiepraxis umsatzsteuerfrei arbeiten können – und wann nicht. Damit Sie sicher planen und unnötige Nachzahlungen vermeiden.

 
Eine Physiotherapeutin sitzt im Behandlungszimmer der Physiotherapiepraxis und schaut in die Kamera
 

1. Grundsatz: Medizinisch notwendige Leistungen sind steuerfrei

Der Gesetzgeber sieht für bestimmte Heilbehandlungen eine Umsatzsteuerbefreiung vor. Maßgeblich ist hier der § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes (UStG).

Darin heißt es vereinfacht: Leistungen, die der medizinischen Versorgung von Patienten dienen, sind umsatzsteuerfrei, wenn sie von entsprechend qualifiziertem Fachpersonal erbracht werden.

Bedeutung für Physiotherapiepraxen

  • Die Leistung muss der Linderung oder Heilung einer Krankheit oder Funktionsstörung dienen

  • Sie muss in der Regel auf ärztliche Verordnung erfolgen

  • Sie muss von einem staatlich anerkannten Physiotherapeuten oder Physiotherapeutin bzw. einer vergleichbar qualifizierten Fachkraft erbracht werden

Beispiele für steuerfreie Leistungen

  • Manuelle Therapie nach Bandscheibenvorfall

  • Krankengymnastik nach Knie-OP

  • Behandlungen auf Basis eines ärztlichen Rezepts

 
Ein Physiotherapeut hilft einer älteren Patientin bei einer Behandlung und Übung in der Physiotherapiepraxis
 

2. Steuerpflichtige Leistungen – Wo beginnt die Umsatzsteuer?

Sobald Sie Leistungen anbieten, die nicht medizinisch notwendig sind, kann Umsatzsteuerpflicht entstehen – unabhängig davon, ob sie von qualifiziertem Personal durchgeführt werden.

Typische Beispiele für umsatzsteuerpflichtige Leistungen

  • Wellnessmassagen oder Hot-Stone-Behandlungen

  • Präventionskurse ohne ärztliche Verordnung (z. B. Rückenschule ohne ärztliche Verordnung)

  • Personal Training oder Fitnessangebote

  • Ernährungsberatung ohne medizinische Indikation

  • Gutscheine, die Patienten verschenken oder selbst nutzen

Die Umsatzsteuer beträgt in diesen Fällen meist 19 %. Für bestimmte Gesundheitskurse kann ein ermäßigter Steuersatz von 7 % gelten – das ist aber selten und an besondere Bedingungen geknüpft.

 

3. Achtung bei gemischten Leistungen

Was passiert, wenn ein Patient eine Verordnung mitbringt, aber zusätzlich auch noch eine Selbstzahlerleistung wünscht? Oder wenn Sie Gutscheine verkaufen, die später für unterschiedliche Leistungen eingelöst werden?

In solchen Fällen spricht man von "Leistungspaketen" oder "gemischten Umsätzen". Hier ist besondere Sorgfalt gefragt:

  • Jede Leistung muss getrennt abgerechnet und dokumentiert werden

  • Steuerfreie und steuerpflichtige Umsätze dürfen nicht vermischt werden

  • Bei Gutscheinen muss beim Einlösen klar sein, für welche Art von Leistung sie verwendet wurden

Tipp: Arbeiten Sie mit einem Buchungssystem, das steuerpflichtige und steuerfreie Leistungen automatisch trennt – das erleichtert nicht nur die Abrechnung, sondern auch die Zusammenarbeit mit einem Steuerberater für Physiotherapeuten.

 
Ein Physiotherapeut hilft einem älteren Mann bei einer Behandlung und Übung in der Physiotherapiepraxis
 

4. Verordnungen als Absicherung – warum Dokumentation entscheidend ist

Das Finanzamt verlangt im Zweifel klare Nachweise, dass eine erbrachte Leistung wirklich medizinisch notwendig und somit steuerfrei war. Die einfachste und beste Absicherung ist eine ärztliche Verordnung.

Empfehlung:

  • Heben Sie Verordnungen mindestens 10 Jahre auf

  • Notieren Sie im Praxismanagementsystem, welche Behandlung zu welchem Rezept gehört

  • Weisen Sie auch Ihre Mitarbeitenden regelmäßig darauf hin, bei Selbstzahlern klar zwischen therapeutisch und präventiv zu unterscheiden

 

5. Warum der Steuerberater hier keine Kür, sondern Pflicht ist

Die Umsatzsteuer ist kein einmaliges Thema, das sich mit einem Haken auf einer To-do-Liste erledigen lässt. Sie ist ein laufendes Thema, das regelmäßig überprüft werden sollte – gerade wenn Sie Ihr Leistungsangebot erweitern oder neue Zielgruppen ansprechen wollen.

Ein erfahrener Steuerberater im Gesundheitswesen kann:

  • Ihr Angebot prüfen und steuerlich einordnen

  • Sie bei der korrekten Abrechnung unterstützen

  • Rücklagen für mögliche Steuernachzahlungen empfehlen

  • Bei einer Betriebsprüfung vermitteln

 

Fazit: Klarheit schafft Sicherheit – und Vertrauen

Ob eine physiotherapeutische Leistung umsatzsteuerfrei ist, hängt nicht nur von der Tätigkeit selbst ab, sondern auch von der rechtlichen Einordnung, der Dokumentation und der ärztlichen Verordnung.

Für Ihre Praxis bedeutet das: Je klarer und sauberer Sie Leistungen trennen, dokumentieren und abrechnen, desto geringer ist Ihr Risiko – und desto professioneller wirkt Ihr Unternehmen.

Nicht jede Physiotherapiepraxis muss Umsatzsteuer zahlen – aber jede sollte wissen, wann sie es muss. Wenn Sie sich hier frühzeitig mit einer professionellen Steuerberatung für Physiotherapeuten absichern, sparen Sie nicht nur Geld, sondern auch Zeit und Nerven.

 

 

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Welche Steuern muss eine Physiotherapiepraxis zahlen? – Ein Überblick für Praxisinhaber